Javier Marías: "Wer reale Geschichten erzählt ...
"... verwickelt sich allzu oft in einen Widerspruch: Zum einen beruft er sich auf die Wahrhaftigkeit der Ereignisse, die für das bürgen soll, was er erzählt, und zum anderen sorgt er dafür, dass das Geschehene in der Erzählung einer Fiktion ähnelt, Denn niemals erzählt er alles genau so, wie es sich ereignet hat, ohne auch nur eine Minute, ein Detail auszulassen, eine Pause, eine Wartezeit, einen belanglosen Dialog. Im Gegenteil, all das lässt er aus, er versucht, in einer Erzählung die Wirklichkeit der Erfindung anzunähern oder anzugleichen ("Sehen Sie, das hat sich wirklich zugetragen, aber so, wie Sie es hören oder lesen und ich es Ihnen erzähle, scheint es sich nicht zugetragen zu haben; meine Geschichte ist so vollkommen, dass man meinen könnte, sie hätte sich zufällig so entwickelt, ohne jedes Eingreifen, ohne dass ein Wille, eine Erfindung, ein Trick, eine Täuschung oder ein Plan im Spiel gewesen wäre.")
aus: "Beginnen wir mit dem Anfang - Die Wirklichkeit ist eine erbärmliche Schriftstellerin. Erst der Romancier verwandelt das Zufällige und Überflüssige in etwas Notwendiges." von Javier Marías - Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.7.2015