Arno Geiger: Autobiographie als Gattung
"Als Gattung ist die Autobiographie, wenn man sie ernst nimmt, die schwierigste. Man kann in ihr ausnahmslos nur scheitern, selbst dann, wenn der Text als Literatur gelungen ist. Als Sache zwischen sich und der Welt bleibt immer eine Lücke, ein Ungenügen, weil es nicht möglich ist, dem, was man darstellen will, ganz gerecht zu werden. Dieses Ungenügen wird auch nicht beseitigt in dem, was man landläufig Autofiktion nennt, der Mischform aus autobiographischen und bewusst fiktionalen Elementen, das Ungenügen wird nur besser verborgen ... Autofiktion ist wie Schachspielen gegen sich selbst, ohne ein wissendes, auf jeden Fehler oder vermeintlichen Fehler lauerndes Gegenüber. Insgesamt weniger angreifbar. Doch je schutzloser sich Literatur macht, desto vertrauenswürdiger ist sie in meinen Augen."
Von Arno Geiger erschienen ist sein autobiographisches Buch "Das glückliche Geheimnis" im Hanser Verlag.
aus "Wirklich frei sind wir, wenn wir erzählen" von Arno Geiger - aus seiner Dankesrede bei der Verleihung des Rheingau-Literaturpreises - Frankfurter Allgemeine Zeitung 7.10.2023