Jo Nesbo über die Struktur seiner Krimis

„Die Struktur des Krimis bietet dem Autor bestimmte Möglichkeiten und Vorteile. In einer Whodunit-Geschichte wird der Leser mit erhöhter Aufmerksamkeit alles verfolgen, was passiert. Denn es existiert eine unausgesprochene Vereinbarung, die es dem Autor erlaubt, sein Publikum an der Nase herumzuführen – solange es dabei fair zugeht. Daraus entsteht ein fast interaktiver Prozess, bei dem ich versuche, die Aufmerksamkeit des Lesers auf meine linke Hand zu lenken, um den Trick mit meiner Rechten zu vollführen. Es gibt im Krimi immer viel Inhalt, der unmittelbar mit der Form, der Kommunikation und den Genreregeln zu tun hat, die es geschickt zu befolgen und zu brechen gilt. Davon abgesehen, ist ein Krimi für mich aber vor allem ein Ort, an dem ich Geschichten über die Condition humana erzählen kann. Warum wurde der Mord begangen, was sind die dahinterliegenden Mechanismen, und wie kommt der Ermittler damit zurecht, ein Monster, das er nicht versteht, als Gegenspielen zu haben?“

Kai Spanke: „Wir empfinden Lust an der Katastrophe, Frankfurter Allgemeine Zeitung 4.11.2019