Leila Slimani: Und doch schreibe ich
"Tatsächlich habe ich keine Angst vor der Krise. Ich habe keine Angst, weil mir all das sehr unwirklich erscheint. Es ist ein Spiel oder ein Traum, es ist ein Test, dem wir unterzogen werden und der bald endet. ... Ich habe keine Angst, weil ich weiß, dass es vorbeigehen wird und wir wieder hinausgehen und uns berühren werden können. Ich frage mich, was schlimmer wäre: dass das Leben weitergeht wie zuvor oder nichts mehr ist, wie es einmal war.
(...) Man müsste nicht schreiben, denn die Realität ist zu groß, zu enorm, zu gegenwärtig. Sie zerfrisst uns von innen, man fühlt sich ihr gegenüber ein bisschen lächerlich mit seinen hilflosen Worten. Und doch schreibe ich, weil ich nichts anderes kann. Weil es das Einzige ist, was mir hilft, weiter zu atmen, zu überleben, das Einzige, was mir die Kraft gibt, zu lieben, und mich daran hindert, erdrückt zu werden."
aus: "Mein Fenster zur Welt" Man müsste nichts anderes tun als leben - Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.3.2020